Vorschläge für stimmungsvolle Adelsdarstellung in Sachen Etikette

Begonnen von Kjala, Februar 20, 2013, 21:20:11 NACHMITTAGS

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Captain

Der Hinweis, daß es andernorts bereits schöne Vorlagen gibt ist gut und richtig. Eine sinnvolle Empfehlung ist der Blick über den Tellerrand mMn immer. Als Totschlagargument aber etwas mau. Magst du nicht vielleicht ein paar Beispiele (oder wenigstens eines) geben, für so eine prächtige Lösung? Das könnte manchen hier vielleicht mit gesunder Neugier erfüllen.

Was Ständespiel und Arroganz angeht: Das halte ich für zwei verschiedene paar Schuhe. Zum einen spielt längst nicht jeder Adelsspieler "von oben herab" (was eben leicht für Arroganz gehalten werden kann). Es kann sich als prinzipiell jeder die Spielfläche aussuchen, die er haben mag. Zum anderen ist Ständespiel nicht das Spiel von Adeligen untereinander oder allgemeiner jeweiliger Standesschichten untereinander, sondern das Spiel zwischen den Ständen. Und das meint nicht nur die Beziehung zwischen einem konkreten Adelsspieler mit seinem Gefolge, sondern der bewußte spielerische Umgang mit unterschiedlicher sozialer Stellung (auch zwischen Gefolgespielern oder auch Hierarchien zwischen Adeligen).
Ich hab als Adel auch immer noch jemanden über mir und Adel ausgenommen erkenne ich alleine in meiner beschaulichen kleinen Truppe nich mindestens drei abgrenzbare Schichten. Die Übergänge sind da nur nicht soo superscharfe Trennungen.

Weiterhin hat Bediensteten-Spiel durchaus auch eine Reihe Vorteile. Man kann sich einfach an andere (bestehende Gruppe) dranhängen statt alles alleine regeln zu müssen, man bekommt eine Stilvorlage an der man sich orientieren kann, hat von Anfang an einen klar definierten Platz im Gefüge (was einem Rückhalt geben kann), kann auf Erfahrungen und teils auch auf gegenseitige Ausleihhilfe zurückgreifen, man kommt relativ easy an Know how ect. Wer (egal von welcher Seite aus) das als Deppenrolle betrachtet, hat vermutlich mit den falschen Leuten böse Erlebnisse gemacht.

Und an einer Stelle muß ich wiedersprechen: Etikette und der Umgang innherhalb der eigenen Gruppe hängen nicht voneinander ab. Das sind Themen die man parallel und unabhängig beackern kann.
Spielertyp nach Robin D. Laws: Storyteller 100%, Method Actor 92%, Tactician 75%, Specialist 50%, Butt-Kicker 50%, Casual Gamer 12%, Power Gamer 0%
NSC-Code: LE+MP-ST-FF0KO+!AG+IN0RR-!AT/PA+!EP0GP0PSI-MTF0PAIN-HdR-I

Katharina

#46
Lustige Diskussion.

Adelsspiel lebt - wie Vampire auch- in erster Linie davon, dass es bestimmte "Benimm"- Regeln gibt.  
Natürlich kann man sich jetzt trefflich streiten, ob man jetzt die Hofetikette von Hintertupfing Sommer 1368 oder die vom Hof von Louis XIV nimmt oder.... Meiner Meinung nach ist das nicht so wichtig, es kommt in erster Linie auf den Spielspass an, und es wird sich (zumindest im Fantasy- Bereich, bei Vampire würde ich dafür nicht garantieren) niemand über einen kleinen Patzer mokieren. Was aber fehlt sind Feinheiten im generellen "Benimm", die aber daran liegen, dass es an OT Wissen über (nicht historische, sondern generelle!) Spielregeln auf dem gesellschaftlichen Parkett (und zwar auf dem realen) fehlt. Wer im realen Leben keine Situationen kennt, in denen es auf Anreden ankommt (z. B. Herr Vorsitzender bei Gericht für den Richter) der kommt gar nicht auf die Idee dass eine Anrede auch IT wichtig sein könnte. Da es normal ist, im Kino mit Popcorntüten zu knistern, kommt niemand auf die Idee, dass es bei einer Ansprache des Gastgebers IT vielleicht mal leise sein sollte. Die meisten feiern Partys und werfen ein paar Tüten Chips unter die Leute, und das Bier steht in Kisten daneben. Einander vorstellen übernehmen die Gäste schon selber.  Wenn man als Gastgeber real aber nie gelernt hat, darauf zu achten, dass die Gäste einander vorgestellt werden, die sich  nicht kennen, dass den Gästen z. B. nachgeschenkt wird,  dass es eine Tischsitzordnung gibt, bei der man genau bedenkt, wen man wo platziert, der wird auch IT nicht auf sowas achten. Kleine Aufmerksamkeiten, die Man(n) real einer Frau zukommen lassen kann, z.B. in den Mantel helfen, die Tür aufhalten, das Glas nachfüllen, den Arm reichen, den Stuhl zurecht rücken, die mögen alle aus der Mode gekommen sein, wer aber weiß dass es sowas gibt und es dann einfach ins IT übernimmt, hat schon mal einen Schlag bei der Damenwelt und muss sich keine Gedanken machen, ob der Handkuss nun jetzt oder in drei Minuten kommt.
Und wer sich nie im Smalltalk geübt hat, dem geht auch eine IT - Hofunterhaltung nicht leicht von der Hand. Charmant sein und plaudern, ohne ein No- go- Thema zu erwischen oder ins Fettnäpchen zu treten, will aber vor allem OT gelernt und geübt sein.
In diesem Sinne rate ich eher dazu, mal den Knigge zu studieren als historische Etikette- Quellen, das kann man dann IT und vor allem auch OT verwenden.



Katharina

und noch was: Der Adelsspieler, der mit Gefolge (und da ist es egal ob es eine Gruppe oder ein einzelner Diener ist) unterwegs ist, hat meiner Ansicht nach einen ziemlich schweren Job: Es ist nämlich seine (oder ihre) Aufgabe, dann das Gruppenspiel zu koordinieren und sicherzustellen, dass seine Gefolgsleute Spass und Spiel auf dem Con haben. Da heißt er muss im Prinzip darauf achten, dass die OT Bespaßung seines Gefolges nicht durch IT- notwendige - Zwänge (z. B. Wachdienste, Geschirr abwaschen, Mundschenk- Dienste) leidet. Z. B. kann der Befhel: "niemand verlässt das Lager" IT völlig okay sein, aber vielleicht will der eine oder andere dann doch was anderes. Sowas muss OT in der Gruppe gut kommuniziert werden, und dann entsprechend IT so umgesetzt, dass weder der Adlige sein Gesicht verliert, weil man seinen Befehl missachtet noch die Gefolgsleute ihren Spielspass verlieren, weil sie sich rumgescheucht fühlen. Das ist eine ziemliche Verantwortung für den Adligenspieler und bedeutet, dass dieser bei all seinen Befehlen an sein Gesinde große Rücksicht auf seine Truppe nehmen muss. 

Captain

Ich hab etwas mit mir gerungen, ob ich hier noch ergänze, möchte es aber nun schließlich doch tun.

Der Hinweis auf Knigge ist absolut brauchbar und kann sinnvoll seinl um sich der Thematik Etikette im Generellen zu nähern. Man sollte sich mMn aber auch bewußt sein, daß "über den Umgang mit Menschen" des Freiherrn Adolph Knigge, ein Werk des späten 18. Jh und voll im Zeitgeist der Aufklärung ist. Von neumodischen Verklärungen und Wandlungen des Werks mal ganz abgesehen. Es gibt auch wesentlich ältere Werke, die hier sehr interessant sind. z.B.:

  • Erasmus von Rotterdam - de civilitates: stammt aus dem frühen Humanismus, ist aber schwer zugängig (ich hab bisher nur Quellen im originalen Latein sowie eine Abhandlung drüber in englischer Sprache gesehen).
  • Thomasîn von Zerclaere - der welsche Gast: ein hochmittelalterliches Werk und hier gibts eine Transkription in modernes deutsch. Die ist zwar eingekürzt, aber für günstiges Geld im Buchhandel recht problemlos zu bekommen
  • Tanz- und Fechtbücher enthalten oft auch Abschnitte über Etikette, sehr detailreich, aber nur empfehlenswert, wenn man sich mit dem "Haupttehma" auch näher befassen will (schlicht weil man aus der Masse erstmal herauslesen muß).
  • spätmittelalterliche (und spätere) Hausbücher sind oft ein wahrer Schatz an Information, insbesondere, wenn man mit historischem Interesse rangehen möchte. Über die Generationen immer wieder abgeschrieben (und später auch gedruckt) gibts da teils gut nutzbare Exemplare. Nur rankommen muß man an sowas erstmal.
Man braucht also keineswegs beim Knigge stehen bleiben oder sich auf diesen beschränken. Die Welt ist bunt und hat höchst selten Themengebiete mit nur einer richtigen Anwort.
Spielertyp nach Robin D. Laws: Storyteller 100%, Method Actor 92%, Tactician 75%, Specialist 50%, Butt-Kicker 50%, Casual Gamer 12%, Power Gamer 0%
NSC-Code: LE+MP-ST-FF0KO+!AG+IN0RR-!AT/PA+!EP0GP0PSI-MTF0PAIN-HdR-I

Ood

#49
Speziell für die Minne und deren Etikette kann man auch den "Rosenroman" von Guillaume de Lorris und Jean de Meung empfehlen. Der stammt aus dem 13 Jahrhundert und gibt, vor allem im ersten Teil, einen umfassenden Einblick in die ars amatoria des Hochmittelalters.
Ab und an findet man auch noch eine Ausgabe die in rotes Leinen gebunden ist und auch IT eine gute Figur macht: http://www.amazon.de/Der-Rosenroman-Guillaume-Lorris/dp/3723507972/ref=pd_sim_sbs_b_1/275-7903407-4126102